In den vergangenen Wochen erfasste die brasilianische Öffentlichkeit ein Phänomen, das bereits seit einigen Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und Warnungen ist: die Bringdienst-Fahrer, die Millionen Menschen mit bestellten Paketen, zuzustellenden Unterlagen und vor allem mit Essen versorgen. Millionen Autofahrern und Fußgängern in den brasilianischen Großstädten sind die rasenden Motoboys und Bikers mit geschulterten Rucksäcken von Delivery-Firmen längst durch unmittelbare Berührung, zunehmend mit fatalen Unfällen, bekannt und gehören zur Routine der Nahverkehrs-Hetze. Allerdings brauchte es offenbar einer spektakulären Aktion, um das Aufsehen auf die Lage dieser neuen Gattung der Arbeiterklasse zu lenken. Von Frederico Füllgraf.
Am vergangenen 24. Juli fuhr im Bezirk Santo Amaro der 12-Millionen-Metropole São Paulo ein mit abgefahrenen Gummireifen beladener Lkw vor die über 10 Meter hohe Statue des Bandeirantes („Eroberers“) Borba Gato. Die Insassen stapelten die Reifen um den Gedenkstein, setzten sie in Brand und verschwanden im Dickicht der Stadt. Innerhalb von Minuten stand das Memorial in Flammen, womit sich die stets herrschende, nach „Erbe“ und Geltung trachtende Oligarchie des Bundesstaates São Paulo Ende der 1950er Jahre ein Denkmal ihrer Tradition setzte. Eine sehr umstrittene Tradition, wie ihr nicht nur Ethnologen und Historiker, sondern vor allem die Nachkommen der Betroffenen ihrer Umtriebe bescheinigen, wovon eingefleischte Heimat-Prediger und Denkmalpfleger, die sich mit den Eroberern identifizieren, nichts wissen wollen.

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