„Er ist ein Schurke, aber er ist unser Schurke.“ Wenn sich der Westen erst einmal auf einen ausländischen Staatsmann als Lieblingsfeind eingeschossen hat, ist er nicht wählerisch, solange sich jemand nur als Feind dieses Feindes in Szene setzt. Wenn jemand gar als „Putin-Gegner“ auffällig wird, darf er sich der Liebe auch der westlichen Medien gewiss sein. Das betrifft natürlich auch Alexei Nawalny, dessen Ideologie im Grunde rechtsnational und illiberal ist und den sich der Westen nicht ernstlich als Nachfolger des derzeitigen russischen Präsidenten wünschen sollte. Vor allem ist er eines nicht: der „Führer der russischen Opposition“. Bedeutende Oppositionelle wie Grigori Jawlinski distanzierten sich in jüngster Zeit deutlich von Nawalny. Und das sind keineswegs alles „putinhörige“ Werkzeuge des Kreml. Jawlinski etwa gehört seit Langem zu den schärfsten Kritikern des Präsidenten, hielt es sogar für möglich, dass der Giftanschlag auf Nawalny ein Werk staatlicher Kräfte gewesen sei. Es wäre an der Zeit, dass der Westen die Vielfalt innerhalb der regierungskritischen Szene in Russland zur Kenntnis nimmt und sich nicht reflexartig hinter jeden Protest gegen Putin stellt.